Die Ausstellung widmet sich den Arbeiten und der Rolle von Elisabeth Krämer-Bannow (1874–1945) im Kontext der sogenannten Hamburger Südsee-Expedition von 1908–1910. Nachdem ihr Ehemann, der Marinearzt, Ethnologe und Begründer der Ethnologischen Sammlung an der Universität Tübingen, Augustin Krämer (1865–1941), die Leitung der Expedition übernahm, wurde Krämer-Bannow als besoldetes Mitglied für Malerei, Fotografie und Weberei in das wissenschaftliche Team aufgenommen.
Als einziges weibliches Teammitglied reiste sie unter anderem nach Palau (Inselstaat im Pazifischen Ozean), wo sie vor allem die fotografische und künstlerische Dokumentation übernahm. Ihr biologisches Geschlecht eröffnete ihr Zugänge zu Lebensbereichen, die den männlichen „Forschern“ verschlossen blieben – insbesondere zur Welt der Frauen. Ihre Aquarelle und Berichte gewähren Einblicke in den Alltag und die Kultur der palauischen Frauen, wobei sie Themen aufgriff, die in der ethnologischen Forschung dieser Zeit oft unbeachtet blieben.
Die Ausstellung ist das Ergebnis dreier interdisziplinärer Praxisseminare von Studierenden der Ethnologie, Kunstgeschichte und der Masterprofillinie „Museum und Sammlungen“. Gemeinsam setzten sie sich mit der Person Elisabeth Krämer-Bannow, ihrer Bedeutung für die „Expedition“ sowie ihren Aquarellen, Fotografien und „gesammelten“ Objekten auseinander. Ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf ihrem Zugang zur Welt der Frauen und ihrer Dokumentation des alltäglichen Lebens.
Die Werke von Elisabeth Krämer-Bannow und der Nachlass des Ehepaars Krämer sind dabei nicht nur künstlerisch und dokumentarisch wertvoll, sondern werfen auch kritische Fragen auf: Welche Perspektiven und Machtverhältnisse prägten die ethnologische „Forschung“ jener Zeit? Wie beeinflussten koloniale Strukturen die Darstellung und Sammlung von Objekten, Bildern und Fotografien? Die Online-Ausstellung lädt dazu ein, diese Fragen zu reflektieren und einen differenzierten und dekolonialen Blick auf die historische Rolle von Wissenschaft und Kunst in kolonialen Kontexten zu werfen.
Der Beitrag von Elisabeth und Augustin Krämer zur Ethnologischen Sammlung der Universität Tübingen bleibt bis heute bedeutsam – ein Vermächtnis, das zur kritischen und dekolonialen Auseinandersetzung mit kolonialen Wissenschaftspraktiken anregt.
Dieses Studierendenprojekt – aus einer europäischen Perspektive – ist ein Versuch, Elisabeth Krämer-Bannow und ihr Wirken erstmals in einer Online-Ausstellung zu präsentieren. Eine Kooperation mit Palau war uns aus zeitlichen Gründen bisher nicht möglich, wäre jedoch in Zukunft wünschenswert. Die Online-Ausstellung ist so gestaltet, dass sie jederzeit Raum für Mitgestaltung bietet und zugleich die Möglichkeit, Anmerkungen und Kritik zu äußern.
Die Republik Palau ist ein Inselstaat im pazifischen Ozean, etwa 880 km östlich der Philippinen. Die 356 Inseln haben eine Gesamtfläche von 416 km², wobei nur acht davon tatsächlich bevölkert sind. Palau beheimatet rund 17.600 Einwohner (Stand 2020) und die Amtssprachen sind Palauisch und Englisch.
Palau wurde 1885 von spanischen Kolonialherren formell in Besitz genommen und war bis 1898 Teil von „Spanisch-Ostindien“. Spanien verlor nach einer Niederlage im Spanisch-Amerikanischen Krieg den Zugang zu seinen asiatischen Kolonien. So wurde Palau zusammen mit einem Großteil der umliegenden Karolineninseln an das Deutsche Kaiserreich verkauft und an Deutsch-Neuguinea angegliedert.
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges verlor das Kaiserreich die Kontrolle über den Großteil seiner Kolonien und Japan übernahm die Verwaltung der Inselgruppe Palau. Unter japanischer Besatzung diente Palau zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges als Militärbasis, und ertrug sogar ein Kriegsgefecht zwischen Japan und den USA. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Palau knapp 40 Jahre lang unter Kontrolle der USA, bis es schließlich am 1. Oktober 1994 offiziell unabhängig wurde.
Früher als Völkerkunde bekannt, wird die Ethnologie heute meist offiziell „Sozial- und Kulturanthropologie“ genannt. Sie befasst sich durch Reflexion und Feldforschung mit Fragen von „Fremdheit“ und untersucht kulturelle sowie gesellschaftliche Themen. Dabei umfasst sie Fachgebiete wie Politik, Religion, Verwandtschaft, Umwelt oder Medizin. Zur Zeit von Elisabeth Krämer-Bannow lag der Fokus häufig auf kleineren Gesellschaften außerhalb Europas.
Ein zentrales Merkmal der Ethnologie ist die Methode der teilnehmenden Beobachtung und der persönlichen Gespräche. Ethnolog*innen leben oft über längere Zeiträume mit den Gemeinschaften, die sie „untersuchen“, zusammen. Dabei entstehen ethnographische Studien, wie sie auch Krämer für verschiedene Bevölkerungsgruppen der Pazifikregion verfasste. Diese dokumentieren Kulturpraktiken, soziale Hierarchien, Symbolik und Interaktionen der „erforschten“ Gruppen. Schon damals arbeiteten Ethnolog*innen eng mit Informant*innen und Übersetzer*innen vor Ort zusammen.
Mit der Institutionalisierung der Ethnologie an deutschen Universitäten – zur Zeit von Krämer – war die Disziplin eng mit der Kolonialpolitik verbunden. Viele Forschungen fanden in den europäischen Kolonien statt, wobei Ethnolog*innen oft mit den dortigen Regimen kooperierten. Heute bemüht sich die Ethnologie um kollaborative Ansätze, bei denen Forschende aus den Herkunftsgesellschaften aktiv einbezogen werden. Dekoloniale Perspektiven sollen exotisierende oder abwertende Darstellungen früherer Zeiten ablösen und eine respektvolle, partnerschaftliche Forschung fördern.
Deutschland wurde erst in den letzten Jahren zunehmend als ehemalige Kolonialmacht thematisiert. Dennoch kontrollierte das Deutsche Reich ab 1884 fast 2.000 km² außereuropäisches Territorium. Die größten Besitzungen lagen in Afrika, aber auch in China und im Pazifik kontrollierte Deutschland Gebiete. Die kleinere „Südseekolonie“ war vor allem durch den Handel mit Kopra, Gold und Phosphor von Bedeutung. Wie in anderen Kolonialgebieten kam es aber auch in den pazifischen Kolonien zu Gewalt, Ausbeutung und Eingriffen in die Lebenswelten der einheimischen Bevölkerung. Mit dem Versailler Vertrag am Ende des Ersten Weltkriegs verlor Deutschland die Kontrolle über seine Kolonien. Die Besetzungen im Pazifik wurden vor allem von Großbritannien, Australien und Japan übernommen. Unmittelbar nach 1919 wurden in Deutschland Forderungen nach der Rückgewinnung der Kolonien laut. Diese Bestrebungen wurden insbesondere während der Zeit des Nationalsozialismus unterstützt, bis in den 1950er und 1960er Jahren die meisten Kolonialgebiete der Welt ihre Unabhängigkeit erlangten.
Dekolonisierung bezeichnet den Prozess, durch den Kolonien ihre politische, wirtschaftliche und kulturelle Unabhängigkeit von Kolonialmächten erlangen. Er fand vor allem im 20. Jahrhundert statt, besonders nach dem Zweiten Weltkrieg, als viele afrikanische und asiatische Staaten ihre Unabhängigkeit erkämpften. Neben der formalen Unabhängigkeit umfasst Dekolonisierung auch die Aufarbeitung kolonialer Gewalt, die Rückgabe von Kulturgütern und eine kritische Auseinandersetzung mit kolonialen Denkmustern. In vielen ehemaligen Kolonien bleiben jedoch wirtschaftliche Abhängigkeiten und strukturelle Ungleichheiten bestehen. Daher wird Dekolonisierung heute oft als fortlaufender Prozess verstanden, der auch Bildungs-, Kultur- und Gesellschaftspolitik betrifft.
Die Begriffe Postkolonialismus und Dekolonisierung sind heute allgegenwärtig, sei es in den Medien oder in öffentlichen Diskussionen. Sie werden sowohl von konservativen als auch von weltoffenen politischen Strömungen kontrovers diskutiert.
In den Geisteswissenschaften beziehen sich diese Begriffe auf unterschiedliche Debatten über den Kolonialismus. Postkolonialismus entstand in den 1980er Jahren im Rahmen der Postcolonial Studies, die ihren Ursprung in den Literaturwissenschaften haben. Dieser Ansatz hinterfragt kritisch die Wahrnehmung des Westens und des globalen Südens als gegensätzliche Gesellschaftsformen, geprägt durch generalisierende und oft stereotype Beschreibungen. Dabei wird untersucht, welche Projektionen auf den „Orient“ von Universitäten im globalen Norden geschaffen wurden. Gleichzeitig betonen Vertreter*innen dieser Denkrichtung die globale Verflechtung von Gesellschaften. Zu den bekanntesten Stimmen zählen Edward Said und Homi Bhabha.
Aktuell rückt das Konzept der Dekolonisierung zunehmend in den Fokus wissenschaftlicher Diskussionen. Obwohl der Begriff bereits in den 1990er Jahren geprägt wurde, erfährt er heute besonderen Zuspruch. Im Mittelpunkt stehen Themen wie die Unterdrückung von Minderheiten und Ländern des globalen Südens durch Rassismus, die Konstruktion von „Weißsein“ und die Rolle der Wissenschaft als Machtinstrument. Wissenschaftler*innen analysieren, wie Mechanismen von Ausbeutung und Unterdrückung, die ihre Wurzeln im Kolonialismus haben, in der Gegenwart fortwirken. Wichtige Stimmen in diesem Diskurs sind Faye Harrison und Arturo Escobar.
Beide Ansätze bieten neue Perspektiven auf den Kolonialismus und regen dazu an, Denkmodelle zu entwickeln, die das eigene Denken und bestehende Machtstrukturen kritisch hinterfragen.
Elisabeth Krämer-Bannow reiste 1909 als einziges weibliches Mitglied der Hamburger Südsee-Expedition nach Palau. Dort übernahm sie die fotografische und künstlerische Dokumentation. Ihr Zugang zu den Frauen der palauischen Bevölkerung, der männlichen Forschern oft verwehrt blieb, ermöglichte es ihr, deren Alltag und Kultur aus einer einzigartigen Perspektive zu erfassen. Ihre Aquarelle und Zeichnungen dokumentieren nicht nur Details des täglichen Lebens, sondern geben auch einen lebendigen Eindruck von Farben und Stimmungen, die durch die Schwarz-Weiß-Fotografie jener Zeit nicht darstellbar waren. Besonders eindrücklich sind ihre Darstellungen der traditionellen Baihäuser, deren farbliche Gestaltung sie präzise wiedergab.
Krämer-Bannows Werke waren mehr als bloße Dokumentation – sie spiegeln ein tiefes künstlerisches Verständnis wider und eröffnen eine seltene Perspektive auf die Rolle und Lebenswelt der Frauen. Gleichzeitig werfen sie Fragen nach dem kolonialen Blick und den oft unausgewogenen Machtverhältnissen auf, unter denen solche „Forschungen“ stattfanden. Ihre Aquarelle laden damit zu einer kritischen Reflexion über die Geschichte ethnografischer Dokumentation ein.
Sprache ist ein sich stets wandelnder Prozess. Was früher als neutral galt, kann heute problematisch erscheinen – auch in Museen. Begriffe wie „Expedition“ oder „Forschungsreise“ fallen bei genauerer Betrachtung in diesen Kontext.
Jahrhundertelang wurden sogenannte „Expeditionen“ durchgeführt, oft sogar mit staatlicher Unterstützung. Diese wissenschaftlichen Unternehmungen hatten das Ziel, aus europäischer Perspektive unbekannte Regionen zu „erforschen“. Die dabei gesammelten Erkenntnisse wurden jedoch häufig von Kolonialmächten genutzt, was unrechtmäßige Landnahmen, die Unterdrückung der lokalen Bevölkerung und den Raub von Kulturgütern nach sich zog.
Viele dieser Objekte befinden sich heute in europäischen Museen und erzählen von einer Geschichte, die kritisch hinterfragt werden muss. Diese Reflexion ist ein wichtiger Schritt, um die Macht der Sprache und ihre historische Bedeutung sichtbar zu machen.
Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhundert kamen neue fotografische Techniken auf. Schnellere Fotografien wurden ermöglicht und gestellte Motive konnten abgelöst werden. Herausforderungen wie lange Belichtungszeiten und empfindliche Chemikalien konnten überwunden werden. Dies eröffnete neue Möglichkeiten für die Dokumentation von kolonialen „Expeditionsreisen“.
In der Ethnologie wurde die Fotografie genutzt, um materielle Kulturen und traditionelle Kleidung vor dem vermeintlichen Verlust oder vor tiefgreifenden Veränderungen durch den Kolonialismus zu dokumentieren. Ethnolog*innen wollten kulturelle Konzepte festhalten, was zu einer intensiven Forschung und zahlreichen Veröffentlichungen führte. Ethnolog*innen auf „Reisen“ entwickelten zwei fotografische Ansätze – die ethnologische und die physiognomische Fotografie. Physiognomische Aufnahmen dienten dazu, Menschen zu vermessen und vergleichen zu können, wozu standardisierte Vorrichtungen verwendet wurden. Die menschenverachtenden Aufnahmen wurden zur wissenschaftlichen Klassifizierung der Personen der jeweiligen Herkunftsgesellschaft herangezogen. Bei ethnografischen Aufnahmen entfielen strikte wissenschaftliche Vorgaben und der Fokus wurde stärker auf romantisierende Naturzustände gerichtet. In den Herkunftsregionen der Forschenden sorgten derartige Bilder für eine Begeisterung für das „Fremde“. Trotz der Weiterentwicklung der Fototechniken boten Malereien weiterhin wichtige Ergänzungen vor allem bei der Visualisierung technischer Konstruktionen und komplexer Muster.
Elisabeth Krämer-Bannow, die ursprünglich für Zeichnungen zuständig war, beteiligte sich bei der „Hamburger Südsee-Expedition“ auch an fotografischen Tätigkeiten. Ihre Tagebucheinträge ab September 1909 erwähnen ihre Mithilfe bei der Motivwahl und dem Gruppieren von Personen sowie bei der Entwicklung von Glasplattennegativen. Ihre Fotografien idealisierten Naturzustände und vermieden die Darstellung der Zerstörung durch Kolonialismus und Missionierung.
Kolonialzeitliches „Sammeln“ der Krämers auf Palau
Die Objekte, die das Ehepaar Krämer von Palau nach Deutschland mitbrachte, erzählen immer zwei Geschichten – Die der Ursprungsgesellschaft, aber auch die Kolonialgeschichte. Als Vertreter*innen der damaligen Kolonialmacht Deutschland waren die Krämers nach heutigen Standards wohl unethische Sammler*innen, da ihnen ihre koloniale Machtposition und, in Augustins Fall, seine Stellung als Arzt halfen, in den Besitz der Gegenstände zu kommen. In der Zeit des Ehepaars Krämer existierte eine ausgeprägte koloniale Sammlungskultur, auch in anderen europäischen Kolonien. Die große Motivation Augustin Krämers Gegenstände mit nach Deutschland zu nehmen, passt daher in den damaligen wissenschaftlichen Zeitgeist.
Das Wort „Sammeln“ ist im Titel in Anführungszeichen gesetzt, da es die Anhäufung von Gegenständen als „wissenschaftlich“ aufwertet und legitimieren sollte.
Aber auch die Handlungsmacht der Palauer*innen wird anhand der ethnographischen Objekte deutlich. Zum Beispiel darin, dass sie Augustin Krämer nicht alles, was er haben wollte, verkauften. Die tolúk-Schalen in der Ethnologischen Sammlung der Universität Tübingen waren etwa weitaus weniger wertvoll als andere, die die Palauer*innen nicht in den Verkauf gaben. Die Objekte waren in der Herkunftsgesellschaft meist Alltagsgegenstände. Beispielsweise waren die Baströcke Alltagsgegenstände in Palau, aber gerade, weil diese wie viele der hier ausgestellten Objekte tatsächlich genutzt wurden, haben sie eine große Aussagekraft. Ein Teil der Gegenstände in der Tübinger Sammlung wird heute so nicht mehr in Palau hergestellt, daher haben sie eine wichtige Bedeutung als Zeugen der Vergangenheit.
Die ausgestellten Objekte wurden meist entweder von Elisabeth Krämer-Bannow „gesammelt“ oder hatten eine besondere Bedeutung für Frauen in Palau. In dieser Online- Ausstellung werden nur einige wenige der mehr als 150 Palau-Objekte gezeigt, die in Tübingen aufbewahrt werden.
Provenienzforschung befasst sich im Kern mit dem Kontext, in dem ein Objekt geschaffen und über die Zeit hinweg weitergegeben wurde. Der Begriff stammt vom lateinischen „provenire“, was „herkommen“ bedeutet. Ziel ist es, die Biografie eines Objekts nachzuzeichnen, beginnend bei seiner Entstehung bis hin zu seiner Aufnahme in eine Sammlung. Dabei wird die Wahrnehmungsgeschichte des Objekts rekonstruiert, was auch seine Bedeutung für Sammler*innen, Wissenschaftler*innen oder andere Akteur*innen einschließt. Die Untersuchungen bringen die Perspektiven der beteiligten Akteur*innen auf das Objekt ans Licht und offenbaren den Wert, der ihm in verschiedenen Kontexten zugeschrieben wurde.
Über die bloße Rekonstruktion der Objektbiografie hinaus zielt die Provenienzforschung jedoch in einem zweiten, weitaus zentraleren Schritt darauf ab, unrechtmäßig entzogene Objekte zu identifizieren. Dies umfasst unter anderem Raub- oder Beutekunst sowie ancestral human remains, die ohne die explizite Zustimmung der Herkunftsgemeinschaften geraubt wurden. Ebenso werden Objekte einbezogen, die unter Zwang oder ohne angemessene Kompensation von ihren ursprünglichen Besitzer*innen abgetreten werden mussten. Auch Forschungsdaten wie Tonaufnahmen, Fotografien oder Filmaufnahmen können Gegenstand solcher Untersuchungen sein. In den letzten Jahren hat sich der Fokus der Provenienzforschung zudem erweitert, um Unrechtskontexte zu berücksichtigen, die über die NS-Zeit und die Kolonialzeit hinausgehen. Diese können bis zu den Anfängen der europäischen Expansionsbestrebungen im späten 15. Jahrhundert zurückreichen.
Restitution bezeichnet die Rückgabe von unrechtmäßig entwendeten oder enteigneten Kulturgütern, Besitztümern oder Rechten an ihre ursprünglichen Eigentümer*innen oder deren Erb*innen. Der Begriff hat in den letzten Jahrzehnten insbesondere im Kontext kolonialer Enteignungen und des Holocausts an Bedeutung gewonnen, steht jedoch auch für rechtliche und moralische Prinzipien, die über historische Kontexte hinausgehen.
Im rechtlichen Sinne beschreibt Restitution den Versuch, eine ursprüngliche Rechtslage wiederherzustellen. Diese Praxis basiert auf der Annahme, dass durch die Rückgabe des Eigentums ein gewisses Maß an Gerechtigkeit und Wiedergutmachung erreicht werden kann. Allerdings reicht die Bedeutung des Begriffs weit über juristische Aspekte hinaus: Er umfasst auch moralische, kulturelle und politische Dimensionen. Restitution wirft Fragen nach Erinnerung, Verantwortung und der Macht von Narrativen auf. Sie fordert von Gesellschaften, sich mit ihrer Geschichte auseinanderzusetzen und die Konsequenzen vergangener Ungerechtigkeiten anzuerkennen.
Kritisch diskutiert wird dabei, ob Restitution allein ausreichend ist, um tiefgreifendes Unrecht zu beheben, oder ob sie Teil eines umfassenderen Prozesses der Wiedergutmachung sein muss. Gegner*innen argumentieren, dass Rückgaben manchmal nur symbolischen Charakter haben, während Befürworter*innen darauf hinweisen, dass sie ein wichtiger Schritt zur Heilung historischer Wunden sind. Restitution bleibt somit ein vielschichtiger Begriff, der rechtliche und ethische Diskurse miteinander verbindet.
Auf den besiedelten Inseln Palaus fanden sich Anfang des 20. Jahrhunderts kunstvoll verzierte Männerhäuser (bai) in fast jedem Dorf. Insgesamt 153 wurden von Elisabeth und Augustin Krämer dokumentiert. Von diesen verbleiben heute nur noch fünf, eines davon wurde neu gebaut. Die Bai-Bildgeschichten, für die auch der Begriff loguki verwendet wird, waren Schnitzereien und Bemalungen an eben diesen bai. In den bai lebte entweder eine Gruppe unverheirateter Männer oder aber die hochrangigsten Männer versammelten sich, um Entscheidungen zu treffen. Diese beiden Funktionen wurden nicht gemischt, keine jungen Männer lebten im bai der Chiefs. Neben den Junggesellen lebten temporär auch Frauen, die mongol in den Klubhäusern.
Nicht nur außen, sondern auch an den Querbalken im Inneren waren die bai geschmückt. Die Originale wurden von Elisabeth Krämer-Bannow fotografiert und abgezeichnet. Sie verwendete Lehmpapier, um einen Abdruck der Schnitzereien zu erhalten. Die Formen wurden dann mit Gips abgegossen, dieser wurde mit Kalk überzogen und von Krämer-Bannow mit rotem Ocker und Ruß bemalt. Diese Farben wurden zu der Zeit auf Palau verwendet, sodass die Abgüsse fast genauso aussehen wie damals die Originale. Derzeit finden sich nur noch wenige bais in Palau – so wie früher werden sie, bis auf ein einziges (Versammlungsort für Chiefs) nicht mehr verwendet.
Die Häuser, von denen das Ehepaar Krämer die Abgüsse genommen hat, stehen heute meist nicht mehr. Krämer-Bannow hat nicht nur die Gipsabdrücke, sondern auch zahlreiche Zeichnungen und Fotografien von Baigeschichten angefertigt. Damit hat sie diese Kunst für die Nachwelt bewahrt. Auch Krämer-Bannows ethnologisches Engagement und künstlerische Fertigkeiten werden bei den Gipsabgüssen sehr deutlich. 1933 wurde der Universität Tübingen die Privatsammlung der Krämers übergeben.
Sie waren in das bai Leben miteingebunden und bekamen am Ende ihres Aufenthaltes Geld.
Zudem sollte dies soziale und politische Beziehungen zwischen Dörfern stärken.
Diese Armbänder wurden nur von hochrangigen Frauen getragen. Sie wurden in einem komplizierten Prozess aus Schildpatt hergestellt.
Wertvolles, palauisches Geld, das als Kette getragen wird. Bedeutend zum Erhalt und Aufbau von sozialen Beziehungen.
Nachweise
Zitat 1: Krämer, Augustin: Palau. 1. Teilband, Abteilung I. Entdeckungsgeschichte und II. Geographie, Hamburg 1917, Einleitung S. VIII.
Zitat 2: Krämer-Bannow, Elisabeth: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee. Wanderungen auf Neu-Mecklenburg 1908-1909, Berlin 1916, S. 34f.
Zitat 3: Pytlik, Anna: Träume im Tropenlicht. Forscherinnen auf Reisen. Elisabeth Krämer-Bannow in Ozeanien 1906-1910, Marie Pauline Thorbecke in Kamerun 1911-1913, Reutlingen 1997, S. 65, Original-Tagebucheintrag: Unveröffentlichtes Tagebuch der Hamburger Südsee-Expedition 3.8.1909 – 13.4.1910, Hamburgisches Museum für Völkerkunde: 22.1.1910.
Zitat 4: Krämer-Bannow, Elisabeth: Heimatschutz in die deutschen Kolonien. 117. Flugschrift zur Ausdruckskultur, 1913, S. 1f.
Zitat 5: Krämer, Augustin: Palau. 5. Teilband (Schluss), Abteilung IX: Zierkunst und Kulturvergleich, Abteilung X: Baiverzeichnis, Hamburg 1929, S. 13.
Anhang: Herkunft verschiedener Palau - Objekte in der Tübinger Sammlung